WAIBLINGER KREISZEITUNG, Autorin: Emma von Bergenspitz
"Mahlzeit!" sagen ist nicht schön
Sabine Kaesser zeigte im Jakobushaus mit „Knigge bittet zu Tisch“ neue Umgangsformen und alte Sitten
SCHWAIKHEIM. Serviette auf dem Teller, Löffel in der Kaffetasse, Ellenbogen auf dem Tisch-Fettnäpfchen beim Essen gibt es zuhauf. Doch brauchen wir deshalb gleich den Knigge? Die Trainerin für Umgangsformen Sabine Kaesser führt rund 30 Zuhöreinnen vor, wie man gute Manieren an den Tag legt, ohne dabei den Spaß zu verlieren.
Eigentlich könnte es ein entspannter Abend werden. Das Büfett sieht verführerisch aus, der gekühlte Sekt steht bereit. Doch bereits beim Zuprosten sind die Teilnehmer vom ökumenischen Frauentreff sich nicht einig. Wie stößt man an und wie hoch darf das Glas gehoben werden? Genau um das zu erfahren, haben sie einen Profi eingeladen. Mit „Knigge bittet zu Tisch“ bringt Sabine Kaesser Licht ins Dunkel. „Das Glas auf Kinnhöhe, man schaut sich in die Augen.“ Eigentlich nicht schwer.
Delikater wird es beim Gang zum Büfett. Mit Teller, Glas und Serviette beladen kann man niemandem die Hand geben, oder? Die zertifizierte Kommunikationstrainerin widerspricht. Und schon sind die Frauen fleißig am Üben. Manche Konstruktionen sind etwas wackelig, aber für ein kurzes Shake-hand würde es reichen.
Suppe nicht schlürfen
Gutes und respektvolles Benehmen ist oft eine knifflige Angelegenheit. „Die korrekte Einhaltung der Tischmanieren gelingt am besten, wenn sie nicht Mittel der Selbstdarstellung sind, sondern den gemeinsamen Verzehr von Speisen für alle Beteiligten zu einem Vergnügen machen. Und das sollte nicht durch störende Geräusche oder unschöne Anblicke beeinträchtigt werden“, betont Sabine Kaesser. Störend seien vor allem Schlürfen und Anpusten der Suppe. Ebenso, benutztes Besteck auf der Tischdecke abzulegen, das im Schwabenland allseits beliebte „Mahlzeit“, die Ellenbogen auf dem Tisch oder Fleisch durch falsche Handhabung von Messer und Gabel „noch mal zu erlegen, obwohl es nicht mehr zappelt“.
Es gibt auch gute Nachrichten vom Profi: Ein Ei darf man klopfen und köpfen, den Knödel zerschneiden, sich am Tisch die Nase putzen. „Letzteres aber nicht mit elefantösen Geräuschen und dezent zur Seite gebeugt“, schränkt Sabine Kaesser ein.
Interessant ist auch der Exkurs in andere Länder. So erfahren die Zuhörerinnen, dass man in Italien nach einem üppigen Essen lieber keinen Cappuccino bestellt, möchte man nicht einem beleidigten Koch gegenüberstehen. Dort gilt dies nämlich als Zeichen, dass das Essen nicht geschmeckt hat. Hat man einen Tischnachbar, der zuerst sein Essen klitzeklein schneidet, obwohl kein Kleinkind in der Nähe ist, und dann noch eine Hand unter den Tisch legt, ist das mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit ein Amerikaner.
Besteck liegt auf 17.20 Uhr
Und so geht es unterhaltsam weiter durch die Welt der modernen Umgangsformen und vergessener Sitten. Auf „17.20 Uhr“ liege das Besteck, wenn man fertig gegessen hat, aus Suppentassen mit zwei Henkeln dürfe man trinken. Aber vielleicht doch vorher einen Blick in die Runde riskieren, ob das bereits jemand tut.
Die runtergefallene Serviette nicht mit dem Fuß unter den Tisch schieben, aber bitte auch nicht aufheben. Gesundheit wünschen ist nicht erwünscht. „Aber das sei doch eine nette Geste“, wirft eine Frau ein. „Ist es, aber nach gängigen Umgangsformen nur, wenn der Nieser einen direkt anschaut“, so Sabine Kaesser.
Mitten auf dem Esstisch das Handy aus der Tasche zu holen, finden die meisten im Saal „furchtbar“. Wenn man die Notwendigkeit erklären könne, gehe das aber in Ordnung. Denn, so Sabine Kaesser, angemessen und korrekt ist nicht immer dasselbe. Man solle sich klarmachen, warum Regeln so sind und woher sie kommen. „Mir ist der Knigge einfach eine Herzensangelegenheit. Nicht starr angewendet, sondern immer mit dem Blick auf mein Gegenüber. Lebensnah und authentisch.“
Nach wie vor gelte der berühmte Satz von Adolf Freiherr von Knigge: „Die besten Umgangsformen sind wertlos, wenn es an Takt und Herzensbildung fehlt!”